„Synthese-chemischer Meilenstein“: Neues Ferrocenium-Molekül entdeckt
FAU-Wissenschaftler synthetisieren Ferrocen erstmalig in der Oxidationsstufe 4+.
Wissenschaftler der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) haben zusammen mit Kollegen der Freien Universität Berlin ein neues Molekül entdeckt: Die Eisenverbindung in der seltenen Oxidationsstufe +4 gehört zu den Ferrocenen und ist äußerst schwierig zu synthetisieren.
Metallocene werden umgangssprachlich auch als Sandwichverbindungen bezeichnet. Sie bestehen aus zwei organischen ringförmigen Verbindungen, den Cyclopentadienyl-Liganden, die parallel zueinander angeordnet sind und ein zentrales Metallion umschließen – eben wie zwei Toastscheiben bei einem Sandwich. Seit der Entdeckung der Substanzklasse in den 50er-Jahren, zunächst der ladungsneutralen Stammverbindung Ferrocen und dann des oxidierten Ferroceniums, besteht an diesen Molekülen ein sehr starkes internationales Forschungsinteresse. Einerseits aus grundlegendem Interesse an den Bindungseigenschaften, aber auch aufgrund vielfältiger moderner Anwendungsmöglichkeiten der Substanzklasse, wie beispielsweise in der Elektrochemie, der Tumorbekämpfung und als Polymerisationskatalysatoren.
Bisher waren die Eisenverbindungen lediglich in den Oxidationsstufen +2 und +3 bekannt. Diese geben die Ionenladung eines Atoms an. Einem Forscherteam der Freien Universität Berlin und der FAU ist es nun erstmals gelungen, eine Eisenverbindung in der seltenen Oxidationsstufe +4 zu synthetisieren, isolieren und zu untersuchen. Herausgekommen ist das Molekül [Cp*2Fe]2+.
„Das ist ein Synthese-chemischer Meilenstein“, sagt FAU-Professor Dr. Karsten Meyer vom Lehrstuhl für Anorganische und Allgemeine Chemie. „Das neue Molekül wird sicherlich seinen Platz in modernen Chemielehrbüchern finden. Seine Synthese schafft wertvolles Wissen und wird eine noch interessantere Lehre ermöglichen.“
Das neue Molekül ist hochempfindlich und extrem reaktiv. Um es zu synthetisieren und zu analysieren, bedarf es besonderer Maßnahmen. So mussten die Berliner Fluorchemiker das Ferrocen mit einer Xenon-Fluor-Verbindung in flüssigem Fluorwasserstoff oxidieren – einem farblosen, stark riechenden, giftigen Gas. Die erfolgreiche Synthese konnten die Wissenschaftler durch Strukturanalysen an einer Reihe von unterschiedlichen Salzen belegen. Um das Molekül zu analysieren fertigten die FAU-Chemiker spezielle, besonders resistente Probenbehälter an. Diese verhindern eine Zersetzung der Proben sowie der empfindlichen Analyseapparaturen. Dabei zeigte sich eine Besonderheit des neuen Moleküls der Oxidationsstufe +4. Im Gegensatz zu den anderen Ferrocenen bildet es, je nachdem welche Anionen zur Stabilisierung des Moleküls verwendet werden, unterschiedliche Strukturen: linear oder gewinkelt. Diese strukturellen Unterschiede werden durch supramolekulare Wechselwirkungen zwischen den Ionen ausgelöst. Die FAU-Chemiker Mario Adelhardt und Jörg Sutter konnten zudem die ungewöhnlichen elektronischen Strukturen dieser „exotischen“ Verbindung aufklären.
Ihre Ergebnisse haben die Wissenschaftler in der Fachzeitschrift Science veröffentlicht.
DOI: http://dx.doi.org/10.1126/science.aaf6362
Weitere Informationen:
Prof. Dr. Karsten Meyer
Tel.: 09131/85-27360
karsten.meyer@fau.de