Mit smarten Leuchtsignalen defekte Elektrobauteile aufspüren

Das Bild zeigt eine Computerplatine.
Symbolbild (Bild: Pixabay)

Die wachsende Weltbevölkerung und die sich verschärfende Ressourcenknappheit zwingt die Menschheit zu einem Umdenken in ihrem Konsumverhalten. Visionäre Konzepte, wie die nächste industrielle Revolution („Industrie 4.0“) und die Etablierung einer Kreislaufwirtschaft („Circular Economy“), versprechen eine ressourceneffizientere und damit nachhaltigere Herstellung und Verwendung von Produkten.

Die steigende Komplexität von Objekten wie z.B. bei Elektrogeräten mit immer kleiner werden Untereinheiten, stellt die Realisierung dieser Konzepte jedoch vor eine große Herausforderung. Der Ausfall von kleinsten Subkomponenten kann schnell zu einem Defekt von größeren Modulen oder eines ganzen Geräts führen. Aufgrund der oft komplexen und zeitaufwändigen Fehlersuche sind Reparaturmaßnahmen teuer und meist ökonomisch nicht sinnvoll. Zudem wurden bis heute noch keine effizienten Recyclingverfahren für komplexe Geräte entwickelt. Dadurch fallen derzeit jährlich gigantische Menge an Elektroschrott an und eine Vielzahl wertvoller und seltener Ressourcen gehen verloren. Laut der United Nations University (UNU) ist Elektroschrott seit einigen Jahren der am schnellsten wachsende häusliche Abfallstrom unserer Erde.

Die Arbeitsgruppe von Prof. Karl Mandel (Professur für Anorganische Chemie) der FAU hat ein smartes Mikropartikel entwickelt, das in der Lage ist, mit seinem optischen Leuchtsignal (Lumineszenz) Auskunft über seine Identität und seine thermische Vergangenheit (Temperaturhistorie) zu geben. Die Forschungsarbeit wurde am 17. Juni 2021 in der Fachzeitschrift Advanced Functional Materials veröffentlicht.

Die Arbeitsgruppe von Prof. Mandel arbeitet seit Längerem an speziellen Partikeln, sogenannten Suprapartikeln, die als Additive in Objekte integriert werden können und durch ihre optischen oder magnetischen Eigenschaften Informationen, wie ihre Identität oder schädliche Umwelteinflüsse (z.B. hohe Temperaturen), „kommunizieren“ können. Das Projekt wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen des NanoMatFutur Grant 03XP0149 gefördert, der an Nachwuchsforschende in der Materialforschung vergeben wird.

Das entwickelte Suprapartikel ist zwischen einem und zehn Mikrometern groß und besteht aus einer Kombination organischer und anorganischer Nanopartikelbausteine. Diese lumineszierenden Signalelemente leuchten unter Anregung mit Schwarzlicht blau, grün oder rot. Damit lassen sich ihre Signale unabhängig voneinander spektral auslesen. Alle Signalelemente lassen sich mit einfachen apparativen Methoden in Wasser synthetisieren.

Die beiden Funktionalitäten der smarten Partikel ergeben sich jedoch erst, wenn die drei leuchtenden Nanopartikelbausteine in einer bestimmten Struktur und einem geeigneten Mengenverhältnis zu einer größeren Einheit kombiniert werden. Dafür werden zunächst rot und grün leuchtende, anorganische Nanopartikel in definierten Mengenverhältnissen mittels Sprühtrocknung in einem Mikropartikel vereint. Die entstehenden Partikel werden einer Temperaturbehandlung unterzogen, die ihre Leuchtsignale stabil gegenüber weiteren Temperaturschwankungen macht. Anschließend werden in einem zweiten Sprühtrocknungsprozess blau leuchtende, organische Nanopartikel auf der Oberfläche der zuvor hergestellten Mikropartikel angebracht. Die blauen Signalelemente sind sensitiv für Temperaturerhöhung und zeigen die Überschreitung einer bestimmten Grenztemperatur durch einen spezifischen, irreversiblen Abfall ihrer Signalintensität an.

Damit entstehen nach drei Prozessschritten aus drei leuchtenden Nanopartikelbausteinen „kommunizierende Partikel“. Aus der kombinierten Signalantwort dieser Suprapartikel lassen sich unter Anregung mit nur einer einzigen Wellenlänge zwei Funktionalitäten ablesen:

Die Identität der Partikel ergibt sich aus dem Signalverhältnis der grün und rot leuchtenden Nanopartikelbausteine. Die Temperaturhistorie bzw. die maximale Temperatur, die die Partikel in ihrem Lebenszyklus erfahren haben, kann aus dem Signalverhältnis der blau und grün leuchtenden Nanopartikel abgelesen werden.

Aufgrund ihres modularen Aufbaus nach einem Baukastenprinzip sind beide Funktionalitäten nahezu beliebig einstellbar, um unterscheidbare Identitätssignale oder Temperaturindikatoren produktspezifisch, mit hoher oder niedriger Empfindlichkeit gegenüber Temperaturen herzustellen. Damit können in einem skalierbaren Verfahren maßgeschneiderte, smarte Additive hergestellt werden, um selbst kleinste Produktkomponenten durch die Integration der Suprapartikel in intelligente Objekte zu verwandeln.

„Um ein praktisches Beispiel zu nennen, stellen wir uns ein Partikel vor, das in defekten Elektrogeräten die Lokalisierung und Identifizierung der Fehlerquelle, z.B. ein überhitztes Mikroelektronikbauteil, ermöglicht,“ erklärt Jakob Reichstein, Promotionsstipendiat bei der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU). „Durch das Einschalten einer speziellen Lichtquelle (Schwarzlicht) und die Detektion der leuchtenden Signale der integrierten Partikel, könnten einfache, schnelle und ressourceneffiziente Reparaturmaßnahmen auch für komplexe Elektrogeräte wieder ermöglicht werden,“ so Reichstein weiter. Langfristig soll damit eine technologische Alternative für ein Recycling von defekten Objekten etabliert werden, um diese durch Reparaturmaßnahmen und Wiederverwendung länger nutzen zu können.

Weitere Informationen

Originalartikel: „Communicating Particles: Identification Taggant and Temperature Recorder in One Single Supraparticle”, DOI: 10.1002/adfm.202104189

Kontakt

Prof. Dr. Karl Mandel
Professur für Anorganische Chemie
karl.mandel@fau.de

Jakob Reichstein
jakob.reichstein@fau.de

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