Fälschungssicherheit in der Elektro- und Digitalindustrie
Intelligente feuerfeste ID-Marker: Post mortem-Fälschungssicherheitsmerkmale authentifizieren markierte Produkte auch nach einem Brandvorfall
Die nachhaltige Elektrifizierung der Mobilität sowie die Digitalisierung und Automatisierung von Fertigungsprozessen sind brandaktuelle Themen von höchster gesellschaftlicher Relevanz. Global vernetzte und intransparente Handelsströme sowie Ressourcenknappheit und aktuelle Lieferkettenschwierigkeiten in der Halbleiterindustrie begünstigen die Ausbreitung von gefälschter Elektronik. Diese sind oft von schlechter Qualität, entsprechen selten den lokalen Sicherheitsstandards und weisen daher erhebliche sicherheitsrelevante Fehlfunktionen auf. Im schlimmsten Fall kann eine Überhitzung einen Brand oder eine Explosion nach sich ziehen. Da die Hersteller für derartige Schäden haften, sehen sie sich nicht nur mit unkalkulierbaren finanziellen Verlusten, sondern auch mit schwerwiegenden Reputationsschäden konfrontiert, sofern sie keine Fälschung nachweisen können. Dies kann verheerende Folgen für den Fortschritt wichtiger, zukunftsweisender Innovationen haben.
Die in der Forensik eingesetzten Analysemethoden zur Charakterisierung von Brandrückständen eignen sich nur zur Bestimmung der Materialzusammensetzung, und gängige fälschungssichere Tags wie QR-Codes oder RFID-Chips halten den Flammen nicht stand. Die überwiegende Mehrheit der materialbasierten Markierungstechnologien basiert entweder auf organischen oder metallischen Materialien, die sich im Falle eines Brandes thermisch zersetzen oder oxidieren und ihre Signaleigenschaften verlieren würden. Nur anorganische, mit Lanthaniden dotierte Nano-Leuchtstoffmaterialien können rauen Brandbedingungen widerstehen, ohne ihre Lumineszenzeigenschaften zu verlieren. Doch auch aus dieser Materialklasse ist noch kein feuerfestes Post-Mortem Markierungssystem entwickelt worden, da Brandrückstände die zu detektierenden Lichtemissionen vollständig absorbieren.
Prof. Dr. Karl Mandel (Professur für Anorganische Chemie) und seiner Arbeitsgruppe ist es gelungen, materialbasierte partikuläre Marker herzustellen, deren Signaleigenschaften den Brandbedingungen standhalten und eine postmortale Authentifizierung nach einem Brandereignis ermöglichen. Die Ergebnisse dieser Arbeit wurden in der Zeitschrift Advanced Optical Materials veröffentlicht. Die Forschung wurde vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen des NanoMatFutur-Projekts Nano-ID (Förderkennzeichen 03XP0149) gefördert.
Der Phönix steigt aus der Asche empor
Nach einem modularen Ansatz können verschiedenste nanopartikuläre Bausteine mittels Sprühtrocknung zu hierarchisch strukturierten, so genannten Suprapartikeln zusammengesetzt werden. Dieses flexible und skalierbare Verfahren eignet sich hervorragend für die Erzeugung sphärischer, mikrometergroßer Einheiten, die eine komplexe und präzise abstimmbare Nanoarchitektur aufweisen und schließlich ein funktionelles Material ergeben.
„Die Flexibilität des Syntheseprozesses erlaubt es, die Architektur der Suprapartikel genau abzustimmen, wodurch sich verschiedene, sogar gegensätzliche physikalische Eigenschaften so ergänzen, dass hybride Funktionsmaterialien entstehen, die Anwendungen für noch ungelöste Problemstellungen bieten“, sagt Franziska Miller, Erstautorin der Publikation.
Während die lumineszierenden Untereinheiten einen ratiometrischen ID-Fingerabdruck liefern, indem sie Informationen auf der Grundlage der relativen Emissionsintensitätsverhältnisse verschlüsseln, können diese Hybridpartikel dank ihrer magnetischen Eigenschaften gleichzeitig von den Brandrückständen abgetrennt und gereinigt werden. Durch gezielte Variation des Mengenverhältnisses der Eu3+– und Tb3+-haltigen Nanopartikel innerhalb des Suprapartikel-Verbunds lassen sich verschiedene, eindeutig unterscheidbare ID-Fingerabdrücke erzeugen. Die magnetisch zurückgewonnenen hybriden Partikel werden dann einem thermischen Aktivierungsschritt unterzogen, wodurch molekular absorbierende Pyrolyseprodukte thermisch zersetzt werden und gleichzeitig die spektrale Signalerkennung des charakteristischen Lumineszenz-ID-Fingerabdrucks ermöglicht wird. Es konnte gezeigt werden, dass diese intelligenten Additive leicht in verschiedene Beschichtungen eingearbeitet werden können und somit eine oberflächliche Markierung elektronischer Bauteile möglich ist. Je nach den physikalischen Eigenschaften dieses Bindemittels kann die Markierung auch während der Lebensdauer des markierten Produkts erfolgen, oder die ID kann zunächst gezielt verborgen und erst nach Eintreten eines Brandes aktiviert werden.
Nach einem realen Brandszenario könnte ein öffentlich bestellter Sachverständiger die Markerpartikel am Einsatzort leicht magnetisch extrahieren und mit Fluoreszenzspektroskopie nach einem standardisierten Verfahren analysieren, um einen ID-Fingerabdruck auszulesen und damit die Originalität eines Produkts nachzuweisen.
Originalpublikation:
https://doi.org/10.1002/adom.202201642
Kontakt:
Prof. Dr. Karl Mandel
karl.mandel@fau.de