Molekulare 4D-Schalter auf Indigobasis in Lösung und in farbveränderbaren Polymeren

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Grafik: AK Dube / FAU

Als molekulare Schalter bezeichnet man Moleküle, deren Geometrie, chemische und physikalische Eigenschaften gezielt durch einen externen Reiz verändert werden können. Hierfür verwendet man unter anderem Licht mit definierter Wellenlänge, pH-Änderungen, Temperatur, Binden von Metallionen oder elektrische Spannung. Die unterschiedlichen Reize (Stimuli) und deren Kombinationen können die Schalter in unterscheidbare, idealerweise interkonvertierbare, geometrische oder elektronische Zustände befördern. Diese Zustände können als Hardware zur Datenspeicherung verwendet werden oder Anwendung im biologischen/pharmakologischen Kontext finden.

Die Natur stellt uns ein breites Spektrum organischer Farbstoffe zur Verfügung, wie etwa den Jeansfarbstoff Indigo, den erstmals Adolf von Bayer Ende des 19. Jahrhunderts synthetisierte, oder sein dibromiertes Purpurderivat. Aufbauend auf diese farbigen Naturstoffe, können Chemikerinnen und Chemiker neuartige funktionale Moleküle herstellen, deren Geometrien und elektronischen Eigenschaften im Brown’schen Sturm der molekularen Bewegungen kontrollierbar sind.

Konventionelle molekulare Schalter besitzen zwei Zustände mit unterschiedlichen intrinsischen Energien. Um die Zustände unterscheiden und ansprechen zu können, sollten diese Zustände geometrisch als auch elektronisch verschieden sein. In Photoschaltern kann mit Hilfe von Licht mit definierten Wellenlängen der energetisch günstigere oder ungünstigere Zustand angereichert werden, während durch eine Erhöhung der Umgebungstemperatur nur der energetisch günstigere Zustand erreicht wird.

Sind jedoch auch mehr Zustände als zwei möglich, adressierbar, elektronisch kontrollierbar, und auch miteinander kombinierbar? Und gibt es einen Stimulus neben Licht, mit dem energetisch ungünstigere Zustände adressierbar sind? Also wie mit einer Art chemischen Treibstoff?

Forschern des Lehrstuhls für Organische Chemie I (Prof. Dr. Henry Dube) an der FAU ist es gelungen eine neue Klasse an molekularen 4D-Schaltern auf Indigobasis herzustellen. Diese neuen Diaryl-Hemiindigo-Schalter weisen erstmals zwei Aryl-Substituenten an der zentralen Doppelbindung auf und können dadurch vier verschiedene, selektiv ansteuerbare Zustände einnehmen. Die Herstellung erfolgt modular über drei bis vier Schritte und ermöglicht maximale Universalität in Bezug auf die Strukturvielfalt. Mit Hilfe von grünem und rotem Licht, wenig bis viel Säure/Base und Temperaturerhöhung können je nach Abfolge und Kombination der Stimuli vier Zustände der molekularen Schalter über bis zu drei unterschiedliche Pfade angereichert werden. Grünes Licht und Säure fungieren als physikalische und chemische Treibstoffe.

Die vier Zustände der molekularen Schalter sind mit bloßem Auge unterscheidbar und können die Farben Rot, Dunkelviolett oder Magenta annehmen. Die stark ausgeprägten Kontraste der unterschiedlichen Zustände, ihre ausgeprägte elektronische Unterscheidbarkeit (Photochromie), ihre Robustheit gegenüber unterschiedlichen Umgebungsmedien (Lösungsmittel unterschiedlicher Polarität und Festkörper), und ihre hohe thermische Stabilität, erlauben Anwendungen in transparenten farbigen Polymeren. Diese Polymere können mit Hilfe von Licht mit definierten Wellenlängen beschrieben werden. Die entstandene Inschrift auf molekularer Grundlage kann mit Licht einer anderen Wellenlänge, Sonnenlicht oder Säure gelöscht werden.

Die hier vereinte Komplexität der Stimuli und deren Abfolge, gepaart mit der Kontrolle über elektronische und geometrische Zustandsänderungen der farbigen Moleküle, bietet neue Möglichkeiten auf dem Weg hin zur Entwicklung intelligenter Materialien, Datenspeicherung oder Anwendungen im Bereich der Aktivierung von Medikamenten durch externe Stimuli.

Die Ergebnisse wurden in Nature Communication veröffentlicht.

Update: Die Publikation wurde auf der Webseite von Nature Communication als Editor’s Highlight platziert. Auf der Editor’s Highlight-Webseite werden die 50 besten Arbeiten vorgestellt, die kürzlich in Nature Communication veröffentlicht wurden.

Weitere Informationen:

Publikation: Sacherer, M., Hampel, F. & Dube, H. Diaryl-hemiindigos as visible light, pH, and heat responsive four-state switches and application in photochromic transparent polymers. Nat Commun 14, 4382 (2023). https://doi.org/10.1038/s41467-023-39944-x

Kontakt:

Prof. Dr. Henry Dube

Department Chemie und Pharmazie
Lehrstuhl für Organische Chemie I (Prof. Dr. Dube)